Udgiver: Gert Posselt (2020)   Tekst og udgave
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Fasanenstrasse 58.

13.6.1909.

Mein lieber, guter Ossip.

Ach, mein Freund, wie es mir geht? Ich schreibe, schreibe, schreibe ‒ um den Umzug zu zahlen, um die Miethe zu zahlen, um den Schneider zu zahlen. Gedanken habe ich nicht mehr, Gefühle gewiss nicht. Doch, nach Ihnen sehne ich mich. Und Gedanken auch, ich muss sie doch haben. Denn ich sende sie nach dem Orient. Wie ist denn das? Im »Börsen-Courier« steht ja nichts. Schreiben Sie denn nicht? Wenn Sie es nicht thun, wird es doch ein trauriges Ende nehmen. Ich begreife nichts davon, habe aber solche Angst ‒ ‒

Hier ist nichts neues oder jedenfalls ich weiss nichts. Schmied sieht entsetzlich aus und belibt noch hier, obschon seine Mama abgereist ist. Ihn nimmt gewiss der Teufel. In dieser Woche werde ich seine »Vorrede« schreiben. Gott, was ich alles schreiben muss. Eine solche »Liste« sahen Sie noch nie. Frau Nansen war hier – elend und gealtert. Sie sah scheusslich aus und ging ‒ nach Venedig. »Venedig« kann Ihnen alles sagen. Nach dieser Stadt der Gondolen geht man nur, wenn man nicht allein geht... Passen Sie auf, die Frage: »Kreta« wird bald losbrennen. Es scheint mir so. Ich kann nicht mehr schreiben. Ich bin zu müde. Schreiben Sie aber ‒ wenigstens dem »Börsen-Courier«..... Nein, ich habe kein Besuch und bin Abends ganz verlassen.

Immer Ihr

Herman B.