Den 12. dec. 1930 skrev Dr. Josef Strasser i Wien til Nexø og bad ham bidrage til en enquete om spørgsmålet: Welcher Entschluß erscheint Ihnen als der entscheidende und weitest wirkende in Ihrer Laufbahn?
Nexø sendte ham 14. april 1931 følgende bidrag (her efter det maskinskrevne manuskript i Martin-Andersen-Nexö-Nachlaß, Findbuch II, 20, Det kgl. Bibliotek):
Der grosse, entscheidende Entschluss meines Lebens fällt auf religiöses Gebiet.
In jeder Dänischen Geographie steht zu lesen, dass es auf der Insel Bornholm viele Sekten gibt. Der Bornholmer ist ein eigenartiger Mensch. Körperlich sehr gewandt und schnell ist er in seinem Innenleben viel schwerfälliger als der Däne sonst; er hat so grossen Respekt vor dem »unsichtbaren Menschen«, dass es oft als Hämmung wirkt. Er ist mit anderen Worten sehr religiös: ein Aufgelassener, ein Sucher.
Schon als kleiner Bub habe ich unter religiösen Anfechtungen leiden müssen, die von den Erwachsenen kraftig genährt wurden. Nur mein Mutter, die nicht aus Bornholm stammte, schürte nicht nach, sondern stritt für etwas noch tieferes in mir: den befreiten Menschen. Dieser Proletarierfrau hatte eine Weltanschauung, die man attisch würde nennen können. Sie ruhte in sich selbst, brauchte keine höhere Macht, auf der sie die Verantwortung – die bei ihr seht gross war – hätte abwälzen können. Vieles nahm sie auf sich und führte es durch; sie hätte gern alles auf sich genommen.
Die Furcht von dem höchst unsicheren Jenseits, von Gott der Herrn Strafgericht, vor der ewigen Verdammnis hat mich – trotz der guten tapferen Mutter – manche Nacht wachgehalten. Als ich heranwuchs, schwand wohl die Sorge um das eigene Schicksal hinter dem Tode, und auch der Tod selbst wich als böses Gespenst in den Hintergrund. Das Leben rückte heran, wuchtig – zu wuchtig fast für einen Buben in den Flegeljahren. Die strengsten Forderungen wurden da einem jungen Menschen gestellt, der gewiss nicht vom Leben verwöhnt war, der aber angeboren den Trieb in sich hatte, die Grenzen des Erlaubten zu erweitern. Schön war es deshalb, von dem strengen, pietistischen Christentum in das fröhliche Christentum des Grundtvigianismus so zu sagen hereinzuplatzen. Hier war es schon erlaubt, sich über das Leben zu freuen, munteren Herzens das Dasein wie auch das Jenseits aufzufassen; man könnte aufatmen.
Und so kam ich, mit zwanzig Jahren, auf die Volkshochschule; voll Hunger ging ich auf Geist und Materie los.
Es gab aber auch dort Grenzen, die beengend wirkten; man durfte sich auf keinen Fall mit allem abgeben. Es waren da verbotene Gebeite, wo der Gedanke nicht hundurfte, sich Nahrung holen; auch der liebe Gott war schliesslich nicht lauter Freisinn. Er wollte nicht, dass der Mensch über dies und jenes grübele; man hatte sich auf sehr wesentlichen Gebieten an die heiligen Schrift zu halten. Dies war nicht leicht für einen jungen Proletarier, der sich vor keiner Wahrheit fürchtete und dem die Welt nicht gross genug werden konnte – der weiderkäuende Hase war schwer herunterzuschlucken! Und noch schwerer hielt es, mit der biblischen Geschichte der Schöpfung sich abspeisen zu lassen. Er brauchte für sein Wachstum die derbe, unerbittliche Entwicklungslehre; mit der himmlischen Gnade wusste er gar nichts anzufangen.
Und eines Tages machte der Jüngling reinen Tisch. Schmerzlich war es, aus dem sonnenwarmen, fröhlichen Kreis auszuscheiden, sich von der Gemeinschaft mit den begnadigten Gotteskindern loszusagen um allein dazustehen. Er wurde isoliert wie ein krankes Tier, vermieden wie ein räudiger Hund; erst allmählich fand er in einen anderen Menschenkreis herein. Aber schön war es doch, die Verantwortung ganz und gar auf die eigene Schulter zu nehmen!
Eine Bürde war es schon; manchmal spürte man es, als laste die ganze Welt auf einem, und fühlte sich schwach bis in den Knien. Aber der Wille wuchs dabei – und Herz und Seele zugleich.
Das war der grösste Entschluss meines Lebens, von dem alles andere entsprang. Von dem Augenblich an fing ich an, Mensch zu werden.